Es ist wieder Festivalsaison! Wir vom 2. BA, einige vom 1. und 3. BA und Master sind diese Woche in Stuttgart an der FMX und ITFS in Stuttgart.
Mit dem Fernbus ging es nach Kornwestheim, von dort mit der U-Bahn weiter zu unserer Unterkunft, einem gemütlichen Air BnB, welches wir mit anderen FMX-Besuchern geteilt haben (sie machen ihre Ausbildung bei Animation Mentor, haben wir erfahren). Gepäck abladen und ab in die Stuttgarter Innenstadt zum Schlossplatz, wo wir beim Kino Gloria unsere Festivalpässe holen.
Anders als in Annecy muss man hier in Stuttgart nur im Ausnahmefall reservieren. Anstehen und hoffen ist eher die Regel.
Ab an die Events
Eingestiegen bin ich in die FMX mit Shelley’s Eye Candy, einer Sammlung an Animationsfilmen von Shelley Page. Dazu gehörten unter anderen Our Wonderful Nature: The Common Chameleon von Lumatic und drei der Athleticus Shorts von Nicolas Deveaux.
Weiter ging es am Mittwoch mit einer Masterclass von Craig Caldwell von der University of Utah zu Storytelling – eine super dichte Vorlesung! Wer ohne Vorwissen dasass, hat nun viel zum Nachschlagen (:
Am Donnerstag tauchte ich ins Reich der Geräusche ein: Paula Fairfield, die Creature Sounddesignerin von Game of Thrones und eine absolute Powerfrau, gab einen äusserst interessanten Einblick in die Kreation von Kreaturgeräuschen. Mit klingenden Heilkristallen zum Beispiel brachte sie das frostige Klimpern ins Feuer des Eisdrachen – Spoiler Alert, whoops…
Am Abend gingen wir in die Best of Animation Vorstellung des ITFS, in der zum Thema Idole verschiedenste Kurzfilme aus aller Welt gezeigt wurden, wie zum Beispiel Rabbit von Run Wrake:
Angefressen vom Talk am Donnerstag meldete ich mich für die Masterclass in Creature Sound Design am Freitag an, welche in der Filmakademie in Ludwigsburg stattfand. Das Soundstudio der Filmakademie hat Dolby Atmos! Paula Fairfield beantwortete viele Fragen, zeigte die Stems der Sounds und erklärte ihre konzeptionellen Herangehensweisen ans Creature Sound Design. Ich will mehr davon!
Samstag war ein eher gemütlicher Tag. Die FMX war zu Ende und so besuchten wir das Naturkundemuseum am Löwentor, wo es einen kurzen aber spannenden Abriss über die Erdgeschichte gab, sowie Chicken Nuggets in Dinoform. Yes! Wir genossen die Stadt und das Treiben der Menschen, beobachteten einen Feuerwehrtaucher, tranken Wein und assen Eis.
Nun ist Sonntag und wir verlassen Stuttgart wieder. Vielleicht bis nächstes Jahr!
Text und Foto: Rhoda Berger
Videos: jeweilige Rechte vorbehalten.
“Ugly” ist das neue schön: Nikita Diakur an der FMX 2018
Internationales Trickfilmfestival Stuttgart
FMX
24.–29. April 2018
Eine Postkarte von Christian Gasser
Unter dem Motto “Wild and Young” stellten an der FMX junge Animationsfilmerinnen und -filmer ihre Arbeit und ihre Strategien vor. Die interessanteste Präsentation war “Ugly Aesthetics and Dynamic Animation” des heute in Mainz lebenden Russen Nikita Diakur, Autor des vielbeachteten und an vielen Festivals – darunter auch Fantoche – ausgezeichneten Kurzfilms “Ugly”. Erzählweise, Inspirationen, Vorbilder, Ästhetik, Technik, Finanzierung – kaum eine Frage blieb unbeantwortet. An dieser Stelle eine kurze Zusammenfassung.
Die Anfänge von “Ugly” seien harzig gewesen, erzählte der 32jährige Diakur: “Nach dem Schulabschluss wollte ich unbedingt einen Film machen, um an Festivals eingeladen zu werden, doch zwei Jahre lang verwarf ich Idee um Idee; keine war perfekt genug.”
Verzweiflung und Internet
Das habe ihn zur Verzweiflung und ins Internet getrieben, wo er schliesslich seine Inspiration fand: Die Kurzgeschichte “Ugly the Cat” auf einer Website mit ermutigenden Lebensweisheiten, lustige Demos mit absichtlich schlechten CG-Animationen (https://www.youtube.com/watch?v=HV_DHv9UQzo), Google Deep Minds selbstlernende Animationssoftware (https://www.youtube.com/watch?v=gn4nRCC9TwQ) und Bilder von hässlichen Gebäuden, Autos und Klamotten …
Daraus wurde “Ugly”, die Geschichte einer potthässlichen, einäugigen, von allen verspotteten und gejagten Katze, die in einer sich in galoppierender Auflösung befindlichen Welt Freundschaft sucht. Sie findet sie bei einem Indianerhäuptling, der gerne auf dem Dach sitzt und den Sonnenaufgang mit Friedenspfeife und schamanischen Gesängen begrüsst …
Hässlich, schief und dysfunktional
Drei Fragen hätten ihn beim Entwerfen von “Ugly” geleitet, erklärte Diakur: “How do you create a character that surprises you? How would a kid create a character? How would you create a character with your left hand?”
Die Antwort auf diese Fragen liefert “Ugly”: In diesem dank Kickstarter finanzierten Film ist alles hässlich und schief, was hässlich und schief sein kann: Die pink- bis lilafarbene Stadtkulisse, die unförmigen Menschen und Tiere, die wie von unfähigen Puppenspielern geleitet herumhampeln, bizarr verformte und mutierte Dschungeltiere, und das alles ist ständig von allen möglichen und unmöglichen Glitches, Fehlern, Pannen bedroht: Nichts ist gewiss, jede Figur und Form kann jederzeit mutieren oder sich auflösen, und ständig schwirren unmotiviert geometrische Formen durch das Bild. Ausserdem – als würde dies nicht ausreichen – ist alles tief in esoterisch verbrämten Indianerkitsch getunkt. Schrecklich eigentlich, und doch genial.
Dass man eine neue Technologie erst zu verstehen beginnt, wenn man sie zweckentfremdet, unterläuft und missbraucht, ist eine Binsenwahrheit. Im Fall der Computeranimation hat es nicht zuletzt David O’Reilly, den Diakur auch als Vorbild zitiert, vorgemacht – doch Diakur geht einen grossen und riskanten Schritt weiter, indem er den Computer weitgehend selber animieren lässt.
“Ugly” sei eine Mischung aus Puppenspiel und “dynamic computer simulation”: Diakur befestigte die Charaktere wie Marionetten an unsichtbaren Fäden und liess sie vom Computer bewegen. Dieses Vorgehen sei letztlich näher am Realfilm als am Animationsfilm – die Kontrolle sei weniger gross: “Man weiss nie, was geschehen wird, und das führt zu unerwarteten, verspielten, aber auch organischen und eigenwilligen Resultaten, auf die man als Regisseur wiederum reagieren muss.”
Mit anderen Worten: Der Computer animiert, der Animator schaut zu …
Das Resultat ist jedenfalls einzigartig und “Ugly” einer der erfolgreichsten Kurzfilme der letzten Jahre. Das liegt indes nicht nur an der Technik und Ästhetik, sondern auch an der Geschichte und den Charakteren: Vordergründig abstossend und lustig ist “Ugly” in Wahrheit auch eine emotionale und berührende Geschichte. “Kitsch”, sagt Diakur dazu, “aber spirituell.”
Christian Gasser
Online-Release von “Ugly”: August 2018
Links:
http://ugly-film.com/
“Ugly”-Trailer
“Ugly Dynamics” (Kurze, aber gute Einführung in seine “dynamische Animation)
“Making Ugly” (ein älteres Referat)
Das aufgehobene Zeit-Raum-Kontinuum reloaded: ITFS & FMX 2018
Internationales Trickfilmfestival Stuttgart
FMX
24.–29. April 2018
Eine Postkarte von Christian Gasser
(Warnung: Dieser Blog besteht zum Teil aus Ausschnitten aus einem Text vom letzten Jahr …)*
Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Liverpools Mohamed Salah den Ball lässig über den Torwart der AS Roman ins Tor lupfte – wunderbar!
Und doch: “I couldn’t care less”, sagte ich Harri Römpötti, einem finnischen Journalisten, den ich vor bald 30 Jahren am Comic-Festival von Angoulême kennenlernte und seither mehrmals jährlich an Festivals treffe.
Dass ich, wie ich am nächsten Morgen beim Frühstück erfuhr, sieben Tore verpasst habe – egal. In der Welt, in der ich mich gerade befinde, hat’s für Fussball keinen Platz.
Lob auf die Filterblase
Filterblasen haben natürlich nicht zu Unrecht einen schlechten Ruf. Allerdings sind nicht alle Bubbles nur schlecht; gewisse Bubbles sind im Gegenteil sogar notwendig, bereichernd und wohltuend.
Dazu gehören Animationsfilm-Festivals: Man taucht mehrere Tage tief ein in etwas, das einen wirklich interessiert; man erfährt, was übers Jahr hinweg anderswo gelaufen und entstanden ist, man sammelt Erkenntnisse, Anregungen und Inspiration, man trifft Freunde, die man nur ein- bis zweimal im Jahr trifft, man lernt neue Leute kennen, die zu Freunden werden, die man fortan ein- bis zweimal im Jahr treffen wird, und immer wieder vergewissert man sich dank des Austauschs mit Gleichgesinnten, dass man mit seiner bizarren Leidenschaft nicht allein ist,
Risiken und Nebenwirkungen
Festivals haben die Eigenheit, das Raum-Zeit-Kontinuum implodieren zu lassen. Der Raum verengt sich: Über den Festivalzentren wölbt sich eine durchsichtige, aber undurchlässige Blase, die alles verdrängt, was nicht zur Animation gehört. Trump und Nordkorea? Die Young Boys auf Meisterkurs? Gibt’s nicht. Auch die Zeit funktioniert anders: Sie tickt langsam, während man selber schneller lebt. Anders gesagt und um einen hier oft gehörten Begriff aufzugreifen: Ein Festival ist ein Stück real erlebte virtuelle Realität …
Die Risiken und Nebenwirkungen dieser zeiträumlichen Paradoxa sind in Stuttgart besonders gross, denn hier kreuzen und überlappen sich zeitgleich mehrere Anlässe: Das Internationale Trickfilmfestival ITFS, die Film and Media Exchange FMX, der Animation Production Day, die GameZone, das Open-Air-Festival im Schlosspark.
Pendelbewegungen und Begegnungen
Möchte man vereinfachen, könnte man behaupten, das ITFS repräsentiere Gegenwart und Vergangenheit, die FMX hingegen Gegenwart und Zukunft; das ITFS stehe für die Kunst, die FMX für die Technik; das ITFS biete Entertainment, die FMX die dafür notwendigen Tools.
Diese Zuspitzung wäre jedoch fahrlässig, denn natürlich gehören ITFS und FMX zusammen; sie sind eng miteinander verknüpft, sie ergänzen und bereichern sich. Deshalb pendeln denn auch die meisten Besucherinnen und Besucher zwischen ITFS und FMX hin und her – und bald bleibt für die Aussenwelt weder Raum noch Zeit, nicht einmal für Fussball.
Falafel statt Fussball
Als am Mittwochabend Bayern München und Real Madrid spielten, schaute ich gar nicht erst hin, auch wenn es dann und wann vor den zahlreichen Bildschirmen in den Imbisslokalen laut wurde. Ich stand mit dem estnischen Animationsfilmer Ülo Pikkov in der Bahnhofshalle, verdrückte Falafel im Fladenbrot, debattierte über – was wohl? – Animationsfilm und flüchtete möglichst bald zurück in unseren Wohlfühlbubble und ein spätes Kurzfilmprogramm.
Nun ist Freitagmorgen. Zeit für das Frühstück. Dann werde ich mich auf den Weg zu einem weiteren langen, anstrengenden, aber anregenden Tag machen. Am Sonntagmittag fahre ich zurück in die richtige Welt. Nach gefühlten zwei oder drei Wochen in dieser wunderbaren Animationsfilm-Blase.
Christian Gasser
*Filmprogramme und Speaker ändern sich, das Wesen eines Festivals bleibt sich aber gleich. Zum Originaltext von 2017: https://animation-luzern.ch/2017/05/05/das-aufgehobene-zeit-raum-kontinuum/
Wes Andersons “Isle of Dogs”: Hintergründe zur Produktion am ITFS 2018
Internationales Trickfilmfestival Stuttgart
FMX
24.– 29. April 2018
Eine Postkarte von Christian Gasser
ISLE OF DOGS
Zahlen, Statistiken und interessante Einblicke in die Produktion von Wes Andersons zweitem Animationsfilm.
Nein, schüttelte Angela Poschet den Kopf, der Gleichklang von “Isle of Dogs” und “I Love Dogs” sei reiner Zufall. Auf die Idee des Films sei Wes Anderson gekommen, weil er während der Dreharbeiten zu “Fantastic Mr. Fox” in Ost-London jeden Tag an einer “Hundeinsel” vorbeigekommen sei.
Die gebürtige Deutsche Angela Poschet war die Produktionsleiterin von Wes Andersons zweitem Animationsfilm “Isle of Dogs” und nahm das Publikum im überfüllten Saal mit auf eine wilde Hundeschlittenfahrt durch das Zahlenlabyrinth, die Unwägbarkeiten und das Chaos einer solchen Produktion mit.
Die Arbeit am Film begann 2014 mit dem Drehbuch, 2015 stand im Zeichen der Preproduction (während der ein komplettes Animatic realisiert wurde); im April 2016 begannen die Dreharbeiten, Ende 2017 waren die Dreharbeiten und die Postproduktion abgeschlossen – eine Woche vor der Weltpremiere …
Puppen und Charaktere:
_900 Puppen, davon 151 Menschen und 57 Hunde (in jeweils mehreren Ausführungen), dazu über 400 Statisten. Gewöhnlich werden in einem vergleichbaren Film zwischen 80 und 90 Puppen eingesetzt.
_Jeder Character hatte bis zu 23 Face Replacements, die alle von Hand bemalt werden mussten.
_27’000 handgetupfte Sommersprossen auf diversen Gesichtern.
Dreharbeit:
_240 Sets in einem 3000m2 grossen Studio. Gewisse Sets tauchen im Film nur wenige Sekunden auf. Alles musste “In camera” gedreht werden, analog, von Hand, sogar Wasser, Rauch, Feuer, Maelstroms. Wes Anderson habe CGI kategorisch ausgeschlossen.
_44 Units
_27 Animatoren
_über 200 Mitarbeiter
_9 echte Hunde am Set zur Inspiration. Sie hätten aber, so Poschet, vor allem gebellt und gestunken.
Der Remote-Control-Freak
Die Dreharbeiten dauerten 87 Wochen. Interessant ist, dass Wes Anderson, den Poschet mehrmals als ausgesprochen detailfreudig, perfektionistisch und kontrollwütig umschrieben hatte, nur sechs Mal am Set auftauchte. Er habe es vorgezogen, die Produktion von zuhause aus zu begleiten.
Das habe die Arbeit nicht eben einfacher gemacht, räumte Angela Poschet ein, “manchmal geht es einfach schneller, wenn man zu dritt vor ein Set tritt und ein Problem bespricht, statt es in 100 Emails lösen zu wollen …”
Die Frage, ob sie wieder mit Wes Anderson arbeiten würde, beantwortete Poschet zunächst mit einem Lachen. Dann mit einem Umweg: Als Produktionsleiterin von “Frankenweenie” habe sie mit vielen “Mr. Fox”-Animatoren gearbeitet. Damals hätten alle geschworen, nie wieder mit Wes Anderson arbeiten zu wollen. Als er sie aber für “Isle of Dogs” kontaktierte, seien die meisten dem Ruf gefolgt … “Angesichts eines so brillanten Resultats”, sagte Angela Poschet, “verblassen alle Schwierigkeiten schon bald.”
Christian Gasser
Wes Anderson: “Isle of Dogs” ab dem 10. Mai in den Deutschschweizer Kinos.
Ninja-Attacken und Tintenfisch-Duelle an der FMX 2018
Internationales Trickfilmfestival Stuttgart
FMX
– 29. April 2018
Eine Postkarte von Christian Gasser
Seine Anfänge seien einfach, logisch und folgerichtig gewesen, erzählte ein strahlender Ernest Yale und zeigte das Bild eines kleinen Buben vor einem Commodore-Computer: Sein strenger Vater habe alles verboten, was mit Computer und vor allem Games zu tun hatte. Als seine Schule die ersten Computer anschaffte, habe er rasch begriffen, wie diese funktionieren – und er habe als erstes seine eigenen “Pacman”- und “Space Invaders”-Variationen programmieren. Sein grösstes Vergnügen, fuhr Yale in seiner Präsentation “NINJAGO The Ride – Become a Ninja” (https://fmx.de/program2018/event/12687) fort, sei es aber nicht gewesen, selber zu spielen, sondern seinen Freunden beim Spielen zuzuschauen und die Spiele ihren Wünschen gemäss zu optimieren …
Heute realisiert der Gründer und CEO der kleinen (“only 200 employees”) Firma Triotech (Montréal) “interactive dark rides” für Vergnügungsparks – Geister- und andere Bahnen durch virtuelle Erlebniswelten, in denen die Besucher nicht nur von Figuren und Effekten erschreckt und bedroht wird, sondern sich wehren kann, indem man diese mit Kanonen abknallen oder mit Handbewegungen vertreiben oder in ihre Bestandteile auflösen kann.
Blasters vs. Handbewegungen
Blasters, so nennt Yale die VR-Kanonen, seien ein Problem, da Kinder diese als erstes zertrümmern. Deshalb entwickelte er im Auftrag von Lego für “NINJAGO The Ride” die notwendige Software, um mit den angreifenden Ninjagos mittels Handbewegungen zu interagieren, sprich: die Ninjagos mit kungfuähnlichen Bewegungen zu bekämpfen …
Das sieht ziemlich dämlich aus, aber Yale wies stolz auf die strahlenden Gesichter hin, die die Kids und ihre Eltern auf den Filmbeispielen zur Schau tragen – es scheint echt Spass zu machen.
Und als der nette Herr Yale weiter und weiter erzählt vom Potenzial dieser virtuellen Vergnügungs- und Themenparkbahnen und dabei alle Register zieht des FMX-typischen Edu-Info-Mercials, dieser Mischung aus technischen Informationen, Visionen und PR in eigener Sache, muss ich sanft weggedämmert sein …
Ninjaglobis
… und sass plötzlich wieder im Zugabteil, in welchem ich ein paar Stunden zuvor mit Amélie, Louis und Kilian nach Stuttgart gebummelt war. Wir schwärmten gerade über Jürgens schmucke Scheiterbeige für unseren FMX-Stand, als vier Globis mit Hellebarden Armbrüsten und Spätzlekanonen den Waggon enterten. Wir, nicht faul, stellten uns dem Kampf, und mit dynamischen Handbewegungen …–
Ich erspare Euch die Details dieses spektakulären, an Special- und Visual-Effects reichen Kampfs, es würde vermutlich eh niemand aus dieser Szene eine Bahn bauen wollen, nicht einmal für die Lozärner Määss.
Jedenfalls fuhren wir gerade am Rheinfall vorbei, als Kilian das Fenster aufriss und den Waggon flutete. Die Globis wurden weggespült, wir auch, und um Atem ringend fand ich mich auf dem Grund des Ozeans wieder, zwischen Rochen, Haien und kopulierenden, nein, kämpfenden Tintenfischen.
Immersion ohne Sauerstoffflaschen
Virtuelle Unterwasserwelten hätten viele Vorteile, erklärte eine Stimme: Man müsse keine Aquarien mehr putzen, keine Fensterscheiben reinigen, man brauche weder Tierfutter noch Tierärzte und erspare sich alle Konflikte mit Tierschützern.
Offenbar hatte die nächste Präsentation bereits begonnen: “National Geographic Encounter: Ocean Odyssey” von Thilo Ewers (https://fmx.de/program2018/event/12730), dessen Firma Pixomondo im Auftrag der amerikanischen Naturzeitschrift in der alten Druckerei der New York Times beim Times Square eine virtuelle Reise in zehn Räumen durch den Ozean inszeniert.
Man könne, betonte Thilo Ewers immer wieder, mit den Fischen interagieren – auf der Leinwand sahen wir Kinder, die auf die am Boden liegenden Rochen zu hüpfen versuchten. “You can interact with” – ein FMX-Mantra. “You can interact with”, die Interaktion als Selbstzweck, aber selten wird begründet, was diese Interaktion tatsächlich bringt.
Diese Unterwasserwelt bietet die totale Immersion im Ozean – allerdings auf Kosten der Realität, echter Fische. Die Frage, was wichtiger ist – Immersion oder echte Fische – wird nicht aufgeworfen. Diese “Ocean Odyssey” würde ich aber sofort besuchen, das ist klar. Meine Kinder wären jedoch frustriert, dass tagsüber keine Haie auftauchen – man wolle schliesslich Kinder nicht erschrecken. Dabei finden Kinder doch nichts cooler als Haie …
Christian Gasser
Die Küchen sind da!
Wir haben seit neustem zwei Indoor- und eine Outdoorküche in der Viscosi, YAY! Doch wie wird die ewig im Raum stehende Frage des Abwasches nach dem gemeinsamen Abendessen geklärt? Mit einem Hahnenkampf natürlich! Die Regeln sind klar: Wer absteht oder seine Arme hinter dem Rücken hervornimmt, hat verloren. Die ersten beiden, die verlieren, müssen abwaschen. Lasset die Spiele beginnen!
Noch knapp drei Monate bleiben bis zur Premiere der Abschlussfilme. Inzwischen läuft die Produktion der Projekte auf Hochtouren, was ich zum Anlass nahm, den Studierenden noch einmal auf den Zahn zu fühlen und herauszufinden, was sie beschäftigt.
Die bisherigen Berichte über die Abschlussprojekte 2018 kann man hier nachlesen: Kick-Off / Voll in Fahrt
Wenn man Luzia Schifferle und Tobias Speiser über ihren Wikingerklamauk «Barbarian» reden hört, so könnte man fast meinen, dass die Arbeit an einer Komödie immer auch selber eine launige Angelegenheit wäre. Doch im Falle dieses Abschlussfilmes scheint das tatsächlich der Fall zu sein. «Es macht uns noch immer total viel Spass», erklärt mir Tobias und lehnt sich fast schon demonstrativ in seinen Sessel. Eben gerade haben die beiden ein erstes Musiklayout von Riccardo Venanzi erhalten, dem Komponisten des Films. Das Fazit von Tobias fällt positiv aus: «Die Richtung gefällt uns gut, ich glaube, das wird was». Auch Luzia scheint guter Dinge zu sein: «Wir liegen gut in der Zeit». Das schaffe Zuversicht und gebe einem eine gewisse Ruhe.
Dass die beiden Filmemacher derart optimistisch sind, dürfte sicher auch damit zu tun haben, dass «Barbarian» als eines von vier Abschlussprojekten des Studiengangs vom Schweizer Fernsehen finanziell unterstützt wird. «Natürlich ist das ein gutes Gefühl, dass uns das SRF unterstützt», gibt Luzia zu. Ein solch positives Signal stärke das Selbstvertrauen. Doch die Beiden freuen sich nicht nur über den symbolischen Wert dieser Zusage des SRF. «Mit diesen Mitteln haben wir auch die Möglichkeit, Leute einzustellen», ist Tobias überzeugt. Bei der Animation etwa könne man sicher einzelne Arbeiten delegieren. «Dadurch bleibt uns mehr Zeit, um ein stärkeres Augenmerk auf andere Aspekte zu legen», führt der Filmemacher aus.
Auch beim 3D/2D-Hybriden «Concrete» ist man trotz zunehmendem Stress zuversichtlich. «Das Feedback, das wir bekommen haben, war bisher durchwegs positiv», erzählt Luca Struchen, der diesen Film gemeinsam mit Aira Joana, Nicolas Roth und Pirmin Bieri umsetzt. Sie seien sich schon bewusst, dass der Zeitplan ambitioniert sei – doch das sei kein Grund es nicht trotzdem zu versuchen. Gut sechs Minuten lang soll diese Geschichte werden, die von einem Drifter erzählt, der in einem verlassenen Gebäude auf einen zweidimensionalen Fuchs trifft. Um sicherzustellen, dass die Umsetzung des zweidimensional animierten Fuchses in die 3D-Welt reibungslos funktioniert, arbeiten Aira und Pirmin an ersten Tests und Simulationen. «Wir versuchen, den idealen Workflow für diesen Prozess zu finden», erklärt mir Pirmin. Während Aira sich mit dem zweidimensionalen Fuchs befasst, kümmern sich die drei 3D-Spezialisten darum, dass der ganze Rest Gestalt annimmt.
Parallel dazu sitzt Rahel Zimmermann, die Aira bereits bei «Coyote» (Lorenz Wunderle, 2018) kennengelernt hat an der Musik des Films. Die ersten Skizzen der Komponistin gefallen den Studierenden sehr gut. «Rahel spricht genau unsere Sprache», ist Pirmin begeistert. Er schildert, wie die Musikerin auch auf Instrumentenvorschläge von ihrer Seite Rücksicht genommen habe und so beispielsweise ein Hackbrett in den Soundtrack integriert hat. «Wir können es kaum erwarten, die fertige Musik zum Film zu hören».
Der traditionell animierte Kurzfilm «Braises» von Estelle Gattlen und Sarah Rothenberger erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die vor einer wichtigen Entscheidung im Leben steht. Als ich die beiden Filmemacherinnen treffe, hat das Projekt einen wegweisenden Punkt in der Produktion erreicht. «Die wichtigsten Entscheidungen haben wir inzwischen gefällt», erklärt mir Sarah. Dass man diese jetzt vor Allem noch umsetzen müsse, sei befreiend. «Ich hätte nicht gedacht, dass es so befriedigend sein könnte, eine To-Do-Liste abzuhaken», frohlockt Estelle. Ganz so entspannt wie sie sich geben sind die beiden Filmemacherinnen dann aber doch nicht. Der straffe Zeitplan mit den vielen schulischen Verpflichtungen macht ihnen zu schaffen. «Wir würden uns jetzt gerne vollkommen in den Film stürzen», sagt Estelle, «aber es stehen immer wieder Veranstaltungen auf dem Programm, die uns aus dem Flow reissen».
Dass der Kalender der beiden Regisseurinnen so voll ist, ist aber auch ihrem Projekt selber geschuldet. «Wir waren das vergangene Wochenende im Wallis», erzählt Estelle. Dort haben die Beiden die Stimm- und Referenzaufnahmen betreut. Dank der Unterstützung des SRF sind die Stimmaufnahmen im Wallis auch finanziell kein Problem. «Wir hätten es auch ohne Budget gemacht», erklärt Sarah, «aber es ist schön, wenn wir das nicht aus der eigenen Tasche bezahlen müssen». Denn bei einem traditionell animierten 2D-Film wie «Braises» schlagen die Materialkosten zu Buche, wie mir Sarah aufzeigt: «Wir haben gerade 3000 Blatt Papier für die einzelnen Zeichnungen bestellt.»
Text: Owley Samter
Bilder: Rhoda Berger
Puppen für Stop Motion – Making Of!
Willkommen zum Puppenbau-Workshop! Hier basteln sich diejenigen Zweitsemestler, die Stop Motion als Vertiefung gewählt haben, ihre Puppen. Julie Pelckmans hat mich bei ihrem Arbeitsprozess in der Werkstatt über die Schulter schauen lassen.
Erst hat Julie ihre Figur entworfen, ein Metal-Chick, und sie dann aus Monster Clay modelliert. Von diesem Modell goss sie dann ein Negativ aus Zement, mit dem dann wiederum das Positiv hergestellt werden kann.
In dieses Negativ wird eine Armatur hineingelegt und mit Schaumlatex eingepackt. Dieses kleine Skelett aus Stahlstäben und winzigen Gelenken hat Julie zusammengebaut, was Fingerspitzengefühl erfordert. Die Gelenke müssen natürlich beweglich sein, jedoch trotzdem so gut fixiert, dass sich die Puppen nicht von alleine bewegen. Zusammen mit der Hilfe und dem Know How von Irmgard Waltert und Adrian Flückiger kann man jedoch zuversichtlich sein, dass alles so sitzt, wie es soll!
Nach dem Rohbau kommen die Feinheiten: Die hellgelbe Schaumlatexpuppe erhält ein bisschen Farbe und auch endlich die Kleider, die sich Julie in der Designphase ausgedacht hat. Natürlich gibt es auch einige kleine Adaptionen; so ist das Metal-Chick jetzt dank den Schaumlatexlöchern zum Zombie erklärt worden (:
Nun ist die Puppe bereit, um animiert zu werden, und ich bin schon gespannt auf die Stage-Moves der etwa 25cm hohen Puppe!
Vielen Dank an Julie für den Einblick in die Stop Motion Werkstatt, ich freue mich auf die folgenden Animationen!
Text: Rhoda Berger
Fotos: Julie Pelckmans & Rhoda Berger
Goodbye, Exchange Students!
HSLU has a longstanding tradition of hosting exchange students, and this year made no exception. Three students from abroad decided to visit our department last summer:
Now that their semester in Switzerland is coming to an end, I wanted to talk to them about their time in Lucerne and find out if their stay lived up to their expectations.
«I came here, because Helen said I should», Saskia tells me. Helen was an exchange student from Kingston who visited Lucerne in 2016 and instantly fell in love with our department – and vice-versa. When she returned to London, she convinced Saskia to come here, too. Saskia packed her bags and moved to Switzerland last summer, looking forward to meet the open-minded and welcoming swiss students Helen told her so much about.
Reality hit hard.
«Swiss people are nice – when you know them.» It took Saskia and Eline, who didn’t speak a word of German two weeks to bond with the other students. «At first, I wanted to go back», Eline says. But after a couple of days, the swiss classmates opened up. «People were very friendly», Saskia says «and toward the end we had some really good friendships».
The language barrier was non-existant for German exchange student Jenny, who therefore had a much easier start in Lucerne. «The vibe is very different here. It’s more like a big class or even a family.» It was new for her to see people stay in school until very late in the night. But she already has a theory: «It’s probably because everything here is so expensive», Jenny says jokingly. «If they stay longer, they don’t have to go out and spend money.»
The great equipment is something that stands out for all of the students. «We only have a total of eight Cintiqs to work on back home», Eline recalls, «not thirty like you guys». But they won’t just miss the hardware when they return. «I wish we had such a professional sound studio», Jenny tells me. «That’s crazy!»
However, there are things the exchange students feel fell a bit short during their time in Lucerne. «I miss having drawing classes», Eline declares, «where you learn basic stuff». There are currently no such courses in the animation department, much to Saskias chagrin. She agrees with Eline. «At Kingston, you are required to have a sketchbook and to be constantly drawing», she explains. «I think it’s important not only to animate, but also to observe and sketch».
So was the trip to Switzerland worth it? «Yes!», exclaims Eline. She looks at Saskia. «I remember how bad you were in the beginning», she tells her friend. «And now you’ve improved! We’ve all improved so much!»
– Owley Samter
Voll in Fahrt
Ein Monat ist vergangen seit ich die Studierenden des Abschlussjahrganges zum letzten Mal zum Gespräch getroffen habe. Wer jetzt aber meint, dass sich aufgrund der Festtage und der allgemeinen Winterferienstimmung wenig getan hat seit dem letzten Treffen, der irrt. Die Fortschritte, die die Abschlussprojekte innert der letzten vier Wochen gemacht haben, sind immens. Jetzt gibt es kein Zurück mehr, die Projekte sind bereits voll in Fahrt. Ich habe mich erneut mit den Studierenden getroffen und ihnen auf den Zahn gefühlt.
Luzia Schifferle verdreht die Augen. Es bleibt bei diesem Kommentar zum Baustellenlärm, der seit Monaten durch den Bau des neuen Gebäudetrakts durch die Animationsabteilung der Viscosi schallt, bleiben. Viel lieber erzählt sie mir von anderen akustischen Elementen, die sie und Tobias Speiser bei der Arbeit des Abschlussfilmes «Barbarian» (Arbeitstitel) über einen Wikinger in der Mid-Life-Crisis auf Trab halten: «Gerade haben wir uns mit zwei Musikern getroffen, die beide an einer Zusammenarbeit interessiert wären».
Die Filmemacher müssen sich nun entscheiden, mit welchem der Komponisten sie die Arbeit aufnehmen wollen. «Wir können uns auch gut vorstellen, mit beiden Musikern zusammenzuarbeiten», erklärt mir Luzia. «Unser Film besteht im Prinzip aus zwei Teilen, die beide sehr unterschiedlich in der Sprache sind». Da würde es sich anbieten, auch musikalisch zwei verschiedene Konzepte zu verfolgen – wobei man schon wolle, dass das dann am Ende wie aus einem Guss klinge, weshalb die Komponisten eng zusammenarbeiten sollen.
Dass die Wikingerkomödie nicht nur lustig, sondern auch düster und brutal sein solle, haben mir Luzia und Tobias beim letzten Treffen erklärt. Daran habe sich nichts geändert, beteuern die Beiden. «Wir glauben, dass der Film aber trotzdem auch für ein jüngeres Publikum tauglich ist», hält Tobias fest. «Die Gewaltszenen sind sehr cartoony und um die brutalen Dinge schneiden wir geschickt herum.» Überhaupt sei ihnen erst durch die Arbeit am Film so richtig bewusst geworden, wie man mit Kamera-Einstellungen und -Winkeln spielen könne. «Dieses Wissen werden wir jetzt auch nutzen», verspricht Tobias.
Allmählich scheint den Studierenden bewusst zu werden, dass es jetzt ernst gilt. Die Nervosität ist spürbar, als ich mich mit Aira Joana, Pirmin Bieri, Nicolas Roth und Luca Struchen treffe. Ihr 2D-3D-Hybride «Concrete» (Arbeitstitel) erzählt von einem Reisenden, der in einem Hochhaus auf einem zweidimensionalen Fuchs trifft. Ein ambitioniertes Projekt, das sicher auch eine hohe Fallhöhe birgt. Doch Pirmin lässt sich davon nicht beirren – er sieht es realistisch: «Natürlich steht viel auf dem Spiel. Aber es bringt doch nichts, wenn wir uns einen zusätzlichen Stress machen.» Pirmin ist zuständig für die Einhaltung des Zeitplans und bildet gewissermassen den Ruhepol in der Gruppe. Das haben auch seine Gruppenmitglieder bemerkt. «Wenn sich Pirmin keine Sorgen macht, müssen wir das auch nicht», hat Aira beschlossen.
Es gibt auch gar keine Indizien, dass sich die vier Filmemacher Sorgen machen müssten. «Der Zeitplan stimmt», verkündet Pirmin stolz. Und das, obwohl sie seit dem letzten Treffen einige Szenen zum Film hinzugefügt haben. «Wir hatten das Gefühl, die Beziehung zwischen dem Reisenden und dem Fuchs an der Wand war noch nicht stark genug». Daher habe man sich entschlossen, diese mit einigen zusätzlichen Szenen auszubauen, ohne die Story selber gross umzustellen. Für Aira Joana, die einzige 2D-Animatorin der Gruppe, bedeutet das mehr Arbeit – doch das dürfte ihr gelegen kommen, schliesslich hat sie sich beim letzten Gespräch noch Gedanken gemacht, ob sie vielleicht nicht genug zu tun hätte. Nicolas versichert mir lachend, dass man diese zusätzlichen Szenen jedenfalls nicht um Airas Willen hinzugefügt habe.
Auch andere offenen Fragen sind bereits geklärt: «Wir wissen bereits, wer für uns das Sounddesign übernehmen wird», verkündet Aira. Moritz Flachsmann hat ebenfalls in Luzern Animation studiert – Aira und er lernten sich bei der Arbeit am Kurzfilm «Coyote» (Lorenz Wunderle, 2018) kennen. Dort habe sie auch erstmals mit der Komponistin Rahel Zimmermann zusammengearbeitet, die nun für «Concrete» die Musik schreiben wird. «Sie war sofort interessiert, als ich ihr von unserem Film erzählt habe», erinnert sich Aira Joana. Die Animatorin wird fast ein bisschen euphorisch, als sie die erste Reaktion der Musikerin zitiert: «Ein Hochhaus im Sumpf? Mit einem Fuchs auf den Wänden? Das muss ich machen!»
Schon zum zweiten Mal arbeiten Sarah Rothenberger und Estelle Gattlen zusammen. Nach einem kurzen Clip für Cartoon Network ist «Braises» (Arbeitstitel) nun ihr erstes längeres gemeinsames Projekt. «Dieser Film geht mehr in die Tiefe als unser Clip für Cartoon Network», findet Estelle. Deshalb gestalte sich auch die Arbeit schwieriger. «Wir möchten das Publikum mit Eindrücken und Gefühlen leiten», erzählt sie mir. Der Film habe deshalb keine strenge Erzählstruktur, was eine zusätzliche Herausforderung für die beiden Filmemacherinnen barg: «Wir haben inzwischen bereits 13 verschiedene Variationen des Storyboards erstellt.»
Der Film erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die im Begriff ist, ihren Heimatort zu verlassen. Obwohl sie ihrer Entscheidung zunächst sicher war, überkommen sie als sie auf den Bus wartet allmählich Zweifel. «Braises» wird auf drei Ebenen erzählt – dem real Erlebten der Protagonistin, ihren Erinnerungen und Erwartungen, sowie ihrer Gefühlswelt. Letztere wird durch einen Tanz zweier Figuren dargestellt. Nicht zuletzt deshalb haben sich Sarah und Estelle für die Zusammenarbeit mit Christoph Scherbaum, einem gelernten Theatermusiker, entschieden. «Uns gefiel neben seiner Erfahrung in diesem Bereich auch die Bereitschaft, moderner und weniger orchestral zu arbeiten», begründet Sarah diese Zusammenarbeit. Um ein Verständnis für die Bewegungen dieser Tanzsequenzen zu bekommen, arbeiten die beiden Regisseurinnen mit befreundeten Tänzerinnen aus der Romandie zusammen. Der Film soll auf französisch gehalten sein. «Wir werden auch die Stimmen im Wallis aufnehmen», erzählt mir Estelle. Der Film selber soll keinen spezifischen Bezug zum Wallis haben. «Es geht vielmehr darum, dem Zuschauer dieses Gefühl des Aufbruchs und der Unsicherheit zu vermitteln» erzählt Sarah. «Der Ort, wo es sich abspielt, ist dabei zweitrangig».
Die beiden Filmemacherinnen sind ein gut eingespieltes Team. «Wir kennen uns zu gut, um einander mit falscher Höflichkeit zu begegnen», erklärt mir Sarah nüchtern, und Estelle ergänzt: «Uns geht es in erster Linie darum, dass der Film gut wird». Da nehme man sich selbst zurück und könne auch mal einen besseren Gegenvorschlag akzeptieren. «Wir haben zum Glück die Egos von Kartoffeln», sagt Estelle. Die Stimmung ist entspannt – manchmal sei es fast ein bisschen zu lustig, findet Sarah. Dann erfordere es viel Disziplin, den Fokus nicht zu verlieren. «Bisher sind wir aber noch gut auf Kurs».
Text: Owley Samter
Bilder: Leoni Dietrich
Kick-Off Abschlussprojekte
Das Jahr neigt sich dem Ende zu – 2018 rückt in grossen Schritten näher. Und das bedeutet auch, dass die Bachelorprojekte der Studierenden nun definitiv in die heisse Phase kommen.
Ich habe mich mit drei Gruppen getroffen, um ihnen auf den Zahn zu fühlen und herauszufinden, was für Filme uns im kommenden Sommer erwarten.
Im Abschlussprojekt «Barbarian» (Arbeitstitel) von Luzia Schifferle und Tobias Speiser steckt ein Wikingerhäuptling in der Sinneskrise. Doch wer jetzt ein schwermütiges Drama erwartet, wird enttäuscht. «Wir hatten Bock, einen launigen Abschlussfilm mit einer kurzweiligen, simplen Story zu machen», erzählt mir Tobias. Bereits im Sommer habe man gemeinsam erste Ideen erarbeitet und sich letzten Endes für die Geschichte des Wikingerhäuptlings entschieden, die als 3D-Animationsfilm umgesetzt werden soll.
Seit dem Sommer arbeiten Luzia und Tobias nun also an dieser Story. «Viel hat sich seit dem ersten Pitch nicht verändert», hält Luzia fest. Einzig bei der Brutalität habe man noch etwas zugelegt. «Am Anfang waren wir fast ein bisschen unschuldig», fügt Tobias lachend an, «wir wollten einen familienfreundlichen Film machen». Das habe ihnen aber eigentlich nicht wirklich entsprochen, und so habe man sich für eine härtere Gangart entschieden. Die beiden Filmemacher versprechen mir düstere Bilder und haufenweise abgetrennte Körperteile.
«Barbarian» ist nicht die erste Zusammenarbeit der Beiden, die bereits mehrere Projekte gemeinsam umgesetzt haben. «Wir haben dieselben Vorstellungen und ergänzen uns prima» erklärt Luzia. Dass man auch den Abschlussfilm gemeinsam mache, sei da für beide völlig selbstverständlich gewesen. Die beiden verbindet auch, dass sie nicht in Luzern leben. Tobias wohnt im Baselland und Luzia ist im Aargau zuhause. Das sei aber unproblematisch, erklären mir die beiden Filmemacher. Für Treffen könne man sich problemlos auch in Olten verabreden. Trotzdem kommen die Beiden so oft es geht nach Luzern – und sei es nur, um sich mit anderen Studierenden auszutauschen. «Der Input von Aussen ist uns gerade jetzt sehr wichtig», lässt mich Tobias wissen.
«Wir haben vermutlich die schrägste Art und Weise gefunden, ein Filmprojekt anzugehen», sagt Pirmin Bieri und lacht. Pirmin ist einer der vier Regisseure von «Concrete» (Arbeitstitel). Zusammen mit Aira Joana, Nicolas Roth und Luca Struchen zeichnet er sich für die Umsetzung dieses Projekts verantwortlich. «Concrete» entsprang einem Konzept von Luca. «Ich hatte anfangs nur die Idee eines Hochhauses, in dem irgendetwas passieren sollte – mehr nicht.» Für seine drei Kollegen reichte das aber bereits, um sie zu überzeugen, sich ihm anzuschliessen und gemeinsam eine richtige Story zu erarbeiten. «Uns war wichtig, dass unser Film eine Geschichte erzählen soll, mit der wir uns alle identifizieren können», schildert Aira Joana. Man habe sich deshalb entschieden, Themen wie Rastlosigkeit und die Suche nach seinem Platz in der Welt aufzugreifen.
Und so dreht sich «Concrete» um einen namenlosen Protagonisten, der ziellos durchs Land irrt. In einem Hochhaus trifft er auf einen Fuchs, der auf der Wand lebt und mit dem er sich anfreundet. Der Film wird als 3D-Projekt umgesetzt, mit einer Ausnahme: Der Fuchs wird 2D animiert. Hierfür ist Aira zuständig, die als einziges Gruppenmitglied eine 2D-Ausbildung mitbringt. «Ich habe immer wieder Angst, dass ich mit dem Fuchs allein nicht genug zu tun haben werde», erzählt Aira lachend. Dass das Wunschdenken ist, weiss sie selber – mit Storyboard, Sounddesign und Compositing wird sie auch so genug zu tun haben. Schliesslich soll «Concrete» nach momentanem Stand etwas mehr als fünf Minuten lang werden. Die langen Einstellungen haben durchaus ihren Zweck. «Wir möchten einen atmosphärischen Film machen», erklärt Nicolas, «der von seiner Stimmung lebt».
Eine Vierergruppe birgt ein erhöhtes Konfliktpotential, könnte man denken. Doch die Filmemacher winken ab. «Die Zusammenarbeit ist sehr harmonisch», erzählt Luca. Man habe dieselben Ansprüche, weshalb die Diskussionen immer konstruktiv seien. Und Pirmin ergänzt: «Eine grössere Gruppe lässt auch eine grössere Spezialisierung zu».
Das Erwachsenwerden habe sie vor grosse Herausforderungen gestellt, erinnert sich Estelle Gattlen. Auf einen Schlag hätten all ihre Freunde an einem anderen Punkt im Leben gestanden als sie, die sich dann plötzlich ganz allein vorgekommen sei. Diese Erfahrung wollte sie in ihrem Abschlussprojekt «Braise» (Arbeitstitel) verarbeiten, das sich mit einer jungen Frau, die sich mit ebendiesen Fragen konfrontiert sieht, befasst. Erinnerungen, Wünsche und Zukunftsängste verschwimmen immer mehr und erschweren ihr die Entscheidung. Estelle setzt ihre Idee aber nicht alleine um: Schon früh stiess mit Sarah Rothenberger die zweite Filmemacherin zu diesem Projekt. Sarah hatte zunächst eine eigene Idee verfolgt, dann jedoch beschlossen, sich Estelle anzuschliessen. «Ich kenne diese Gefühle nur zu gut», erklärt sie mir im Gespräch. Aber auch die Zusammenarbeit mit ihrer Kollegin, mit der sie bereits zuvor einige Projekte verwirklicht hat, habe sie gereizt.
«Braise» soll als analoger 2D-Animationsfilm umgesetzt werden, wobei sich der Zeichenstil dem Gemütszustand der Protagonistin anpassen wird. «Ursprünglich wollte ich direkt auf Papier zeichnen», erzählt Estelle, doch Sarah habe sie davon überzeugt, die Animation zunächst digital zu machen, und erst dann von Hand nachzuzeichnen. «Wenn wir es uns schon bei der Planung ein wenig einfacher machen können, ist das sicher nicht falsch», ist Sarah überzeugt.
Aktuell sitzen Estelle und Sarah am Storyboard des Films, das ihnen zusätzliche Schwierigkeiten beschert. «Unsere Geschichte ist noch nicht definitiv», erzählt mir Estelle, «und mit dem Zeichnen der Storyboards verändert sie sich immer wieder.» Doch schon bald müssen sich die Regisseurinnen von «Braise» für eine Version ihrer Geschichte entscheiden – und diese dann auch umsetzen. Doch mir scheint, dass die Beiden bereits eine genaue Vorstellung haben, wie ihre Tage während des letzten Semesters aussehen werden. «Viel Weinen – und noch viel mehr Sean Paul», sagt Sarah und lacht.